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‘Borderlands 3’: Wie ein Algorithmus aus Versehen ein Imperium für Gearbox schuf

Tom Regan

Es ist 2007 und Randy Pitchford ist nervös. Nachdem er durch seine Mitarbeit an Duke Nukem 3D aus dem Jahr 1996 berühmt wurde, ist er ein Jahrzehnt später der Präsident eines nicht ganz so prestigeträchtigen Entwickler-Studios – und er ist kurz davor sein zweites, eigenes Spiel zu enthüllen. Unter dem Namen Gearbox Software hat der Entwickler jahrelang still und leise sein Geld mit der Optimierung von Werken anderer Kreativköpfe verdient, bis man 2005 aufs Ganze ging und ein eigenes Franchise veröffentlichte – Brothers In Arms.

Aber es hat bis zum zweiten Spiel gedauert, bis Gearbox wirklich einen eigenen Namen etablieren konnte. Obwohl das Studio mit seinem WK2-Strategiespiel bescheidenen Erfolg hatte, kam der große Durchbruch erst mit dem darauffolgenden Titel. Zwei Jahre später hat das ehemalige Portierungsstudio sein Glück erneut versucht und Grau gegen Farbe und Taktik gegen Humor getauscht. Das Resultat? Ein komischer, kleiner Shooter namens Borderlands

Vier Millionen Verkäufe und ein Sequel und zwei Spin-Offs später, hat sich das Risiko definitiv gelohnt. Von einer loyalen Armee an Cosplay-Enthusiasten, bis hin zu prominenten Imitatoren, hat Gearbox in den letzten 12 Jahren mit seinem „Looter Shooter“-Genre sich redlich die hingebungsvolle Fanbase, von der die meisten Entwickler nur träumen, verdient.

Vieles, was die Serie so berühmt machte, kam gar nicht von uns – es lag am cleveren, waffengenerienden Algorithmus.”

Jetzt wo das langerwartete Borderlands 3 nur noch wenige Tage auf sich warten lässt, dachten wir, wir schauen uns mal das geheime Rezept des Franchises an — die unfassbar clevere Herangehensweise an Loot. Und auch wenn Fans laut die auffallende Ästhetik und den quirligen, Joss Whedon-mäßigen Humor preisen, haben uns Gearbox-Veteranen verraten, dass der Erfolg der Serie gar nicht menschgemacht ist – tatsächlich war es der smarte, waffengenerierende Algorithmus.

Heisst Das Chaos Willkommen

„Ich kann gar nicht sagen, ob das alles von Anfang an Absicht war,” sagt Lead-Waffen-Designer Kevin Duke über das süchtig machende Gameplay und zuckt dabei mit den Schultern. „Wir haben immer wieder geschaut was funktioniert und was nicht so gut klappt, und unsere Entscheidungsfindung daran festgemacht… diese ganze Formel kam dann auf eine Art und Weise zusammen, dass wir viel testen und ausprobieren mussten. Am Enden haben wir uns einfach der KI angepasst und die richtigen Entscheidungen getroffen!“

Die KI, von der Duke spricht, ist natürlich der mysteriöse Algorithmus, der die zufällige Kombination aus Farbe, Stats und Anhängen bei jeder neu-generierten Schusswaffe bestimmt. Und wenn ihr die brutale Einöde von Borderlands überleben wollt, braucht ihr dazu ganz eindeutig die bestmöglichen Waffen.

In den Schuhen eines saucoolen Vault Hunters ist es eure Mission, die Calypso-Zwillinge aufzuhalten und dabei den ultimativen Loot zu finden. Und glücklicherweise gibt es für Fans schneller Shooter Horden von Psychopathen, die nur darauf warten, von euch umgelegt zu werden – dazu wimmelt es vor Gefahr und Chaos an jeder Ecke. Lustigerweise sind es nicht nur die fiktiven Biester, die das Chaos in dieser brutalen Spielwelt befeuern – der gesamte Spiel-Code ist darauf aufgebaut.

Ich weiß gar nicht, ob irgendwas davon Absicht war…”

„Ob Spieler es realisieren oder nicht, dadurch haben viele Leute Spaß und es verkörpert die Abwechslung für die Borderlands bekannt geworden ist,” erklärt Duke. „Auf hoher Ebene legen wir einige Inhalte und Regeln für die KI fest und lassen sie dann einfach ihr Ding machen… man muss die Regeln bestimmen, dem Design vertrauen und den Algorithmus dann einfach seine Arbeit verrichten lassen”.

Wie sich herausstellt, ist der beste Weg Chaos zu simulieren, indem man richtiges Chaos erzeugt — und für das heißerwartete Borderlands 3 hofft das Team auf einer Chaos-Skala von eins bis zehn, eine elf zu landen. Mit dem dritten Teil kommen über eine Milliarde Waffen, mit denen Vault Hunter rumspielen dürfen und die KI ist dabei wieder einmal, was natürlich keine Überraschung ist, das wichtigste Element.

„Es gäbe einfach keine Möglichkeit Milliarden von Waffen manuell zu kuratieren; wir haben einfach unsere Hände gehoben und gesagt: ‚Hey, mal schauen was passiert!‘” lacht Duke.

Wertvolles Loot

Aber dieses Mal ist Gearbox nicht das einzige Studio, das auf einen Algorithmus setzt. Als Borderlands damals erschien, war es der einzige Pionier im Looter- Shooter-Genre und ebnete den Weg, indem es die Standards setzte. Heutzutage gibt es andere hochkalibrige Konkurrenten, die sich an der Geheimformel von Borderlands immer wieder bedienen, weswegen das Team diesmal eine etwas andere Herangehensweise probiert.

Es gibt einfach keine Möglichkeit Milliarden von Waffen manuell zu kuratieren… wir haben einfach unsere Hände gehoben und gesagt ‘Hey, mal schauen, was passiert!”

Gearbox bändigt ihren wilden Algorithmus so, dass der Spieler mehr Wahlmöglichkeiten im großen Chaos hat. Wie es Veteranen der Serie wahrscheinlich erwarten, sind die Waffen im Spiel wieder von verschiedenen Waffen-Herstellern produziert, aber in Borderlands 3 wird man diese definitiv deutlicher unterscheiden können.

Für den dritten Teil der Reihe wusste Gearbox, dass es nicht ausreichen würde, die Spieler einfach nur mit schierer Menge zu bombardieren. Während eine KI verschiedenen Stats bis zum Überdruss generieren kann, war es dem Team diesmal wichtig, dass die Waffen sich alle einzigartig anfühlen – und ihre eigene Charakter haben.

Borderlands ist bekannt für die bloße Menge an Loot… aber schlussendlich gibt es einen Punkt, an dem es nicht mehr so aufregend ist, nur die Anzahl zu erhöhen,“ sagt Duke mit Schulterzucken. „Also haben wir uns gedacht: ‘OK cool, was ist der Unterschied zwischen, sagen wir, einer oder zwei Millionen Waffen?‘ Die Antwort war, diese klar erkennbar durch die Hersteller zu trennen.”

Und dabei handelt es sich nicht um Marketing-Floskeln. Wenn man beispielsweise mit dem Visier eines von ‚Hyperion‘ geschmiedeten Gewehrs zielt, taucht plötzlich ein kleiner Schild auf, welcher den Spieler vor Schaden schützt. Wenn man sich dann jedoch dazu entscheidet, ein (recht ähnliches) Sturmgewehr von ‚Dahl‘ aufzunehmen und durch dessen Visier blickt, stoppt plötzlich das Dauerfeuer aus der Hüfte und man schießt deutlich kontrollierter mit Einzelschüssen.

„Wir haben damit aufgehört mit Ansätzen wie, dieser Hersteller erzielt höheren Schaden, dieser lädt schneller nach und so weiter, denn das verleiht einer Waffe nicht wirklich Charakter, oder?“ fügt Lead-3D-Waffen Artist Jimmy Barnet hinzu. „Du kannst immer eine Waffe finden, die mehr Schaden als eine andere verursacht, und um das spannender zu gestalten, haben wir uns gedacht, welche greifbaren Charakteristika können wir [für die Waffen-Hersteller] entwickeln?“

Grösser und Besser

Das alles klingt vielleicht wenig beeindruckend, aber nach ein paar Stunden mit dem Spiel spürt man den himmelhohen Unterschied. In Borderlands 2 war jede neue Waffe nur ein wilder Mix aus zufälligen Stats und Eigenschaften, was die Spieler dazu brachte, wie verrückt die Waffen nach Belieben alle paar Minuten zu tauschen. Während der Spielzeit mit Teil 3 haben wir jedoch schnell gelernt, nicht einfach ziellos Waffen zu sammeln und haben uns lieber auf die konzentriert, die zu unserem Spielstil passen.

„Genau. [Die Idee war es] etwas zu finden, das dem Spieler Freude bereitet und ihn für die Jagd nach einer bestimmten Waffen-Marke belohnt,“ stimmt Duke zu. „So erweitern wir tatsächlich auch den Mengen-Faktor. Jedoch haben wir versucht, in die Tiefe und seitwärts zu gehen, anstatt nur die schiere Anzahl zu erhöhen.“

So erweitern wir auch den Mengen-Faktor. Jedoch haben wir versucht, in die Tiefe und seitwärts zu gehen, anstatt nur die schiere Anzahl zu erhöhen.”

Klar, jeder funkelnde, neue Drop ist immer noch Glückssache, aber jetzt weißt du – nach nur einem kurzen Blick auf die Marke auf dem Waffenlauf – ob dieses neue, funkelnde Schusswaffe die richtigen Eigenschaften hat, um als perfekte Mordwaffe im Inventar zu landen.

Also, was für eine Waffen-Vielfalt können Spieler erwarten?

„Cool an den neuen Charakteristika der Hersteller ist, dass man zum Beispiel nicht einfach sagen kann: Alle ‚Vladof‘-Waffen werden ein Stachelfass am Endstück haben. Sie könnten auch einen Granatenwerfer, eine Schrotflinte – sogar Stabilitätsraketen haben,“ erklärt Barnet. „Es geht nicht nur darum, eine vorhersehbare Identität zu schaffen, sondern Abwechslung innerhalb dieser Marke zu bieten. Zum Beispiel können einige der Hyperion-Schilder Kugeln umleiten, andere absorbieren diese und geben dir somit Munition… wieder andere absorbieren Kugeln und geben dir dafür Leben! Daher haben wir dem System alle diese unterschiedlichen Optionen verliehen, welche letztendlich jedem Spieler die Möglichkeit geben, nach viele verschiedenen Merkmalen Ausschau zu halten.“

„Die Jagd ist nach wie vor wichtig,“ fügt Duke mit einem Nicken hinzu. „Selbst, wenn Du Dich dazu entscheidest, nur Hyperion-Waffen zu sammeln, ist die Suche immer noch unglaublich herausfordernd, wenn du die perfekte Hyperion finden möchtest.“

Neues Tech = Sexier Loot

Visuell bekommt Borderlands 3 die Art von Facelift, die wir vom Outing der ersten aktuellen Generation des Franchises erwarten. Pandoras farbenfrohe Kulissen sehen noch verdrehter und verlockender aus als jemals zuvor und behalten ihre leuchtende Cel-Shading-Ästhetik bei. Die größere Power der Hardware erlaubt dem Team noch komplexere Waffen zu kreieren und während Spieler merklich einen noch schöneren und zudem größeren Spielplatz bekommen haben, ist die Waffenjagd für loothungrige Vault Hunter immer noch im Fokus.

In Borderlands 2 konnte aufgrund des Konsolenspeichers – der technischen Begrenzung zu der Zeit – jeder Hersteller nur eine Waffenart auffahren und diese verschwommen dann oft einfach zu einer Menge. Das System benutzte die Teile, die man vom Spiel kannte und mit denen man gespielt hat, um die Waffen zu erstellen,“ erklärt Duke, „mit der Technologie, mit der wir jetzt arbeiten, haben wir massig Freiraum, um [jede Waffe] zu erweitern und verschiede Dinge auszuprobieren.“

„Dadurch vermeiden wir eins, nämlich Waffenteile untereinander vertauschen. Jeder Hersteller hat sein eigenes Set an Waffenteilen und bei der Arbeit daran, haben wir gemerkt, dass es so um einiges besser funktioniert als in den vorherigen Spielen,“ führt er fort, „Borderlands 2 hatte etwa 250 austauschbare Waffenteile im System für die Waffen-Kreation. Als ich das letzte Mal nachgeschaut habe, hatte Borderlands 3 irgendetwas zwischen 1300 – 1600 Teile, die in das neue System wandern, um die Waffen zu erschaffen mit denen man spielen wird.“

Borderlands 2 hatte ungefähr 250 Waffenteile, die kombiniert werden konnten… in Borderlands 3 sind es zwischen 1300-1600 Waffenteile.”

Bei so vielen Faktoren, die von einer wahrscheinlich hochentwickelten KI übernommen werden (wenn du das liest, oh Code-y-One, bitte verschone uns im Falle eines Roboteraufstands), gab es eine Frage, die uns brennend interessierte: Wenn solch ein großer Teil des Spiels fast ausschließlich dem Zufall überlassen wird, wie kann das Team sicherstellen, dass alles gerecht bleibt – und vor allem – auch Spaß macht?

„Wir haben ein starkes Test-Team und Knöpfe und Failsafes, die sicherstellen, dass alles nicht zu sehr entgleist,“ sagt Duke. „Aber die coole Sache an unserem Spiel ist, dass das Entgleisen in der Tat OK ist!“

„Selbst, wenn du die göttergleiche Kombination finden solltest, hey, dann hast du eben die göttergleiche Kombi gefunden,“ stimmt Barnet zu. „Nach fünf Leveln wird es nicht mehr funktionieren, aber… du wirst einen Heidenspaß in diesen fünf Leveln haben!“

Das Erbe Unter Der Lupe

Bevor Borderlands das Licht der Welt erblickte, hat die Idee, ein zufälliges, Diabloeskes Lootsystem in einen First-Person-Shooter einzufügen, so viel Sinn gemacht, wie schokoladenüberzogene Gurken. Heutzutage ist der Looter-Shooter einer der profitabelsten Videospiele-Genres. Tatsächlich werdet ihr merken, solltet ihr seit 2007 einen Controller angefasst haben, dass man den Einfluss vom Hybrid-Shooter aus dem Hause Gearbox spürt. So hat der Musterschüler unfassbar erfolgreiche Kopien, wie Destiny, The Division und, ähm, das verhängnisvolle Anthem ermöglicht. Es können halt nicht alle Gewinner sein, oder?

Während das Team zögert, zu viel Anerkennung für die Wegbereitung eines Genres anzunehmen (und noch weniger begeistert von der Idee ist, dass ihr Loot-System viele andere zu Mikrotransaktionen inspiriert hat), ist das Vermächtnis der Serie auch Gearbox nicht entgangen.

„Ich zögere zu sagen, dass es [den Looter Shooter] oder alle anderen Varianten davon, erfunden oder gar angeführt hat, aber es war cool zu sehen, wie das Genre und die Spiele die davon entsprungen sind, sich entwickeln“ sagt Barnet.

„Ich denke [Borderlands] hat eine Menge geleistet, um verschiedene Gameplay-Elemente in einer Form zusammen zu bringen, die es so noch nicht gab,“ stimmt Lead-Waffen-Designer Kevin Duke bescheiden zu. „Es hat [RPG Elemente] vielen Spielern näher gebracht, die gar nicht wussten, dass sie diese Art von Gameplay mögen.“

Nach nun sieben Jahren Hiatus, kehrt der originale Looter-Shooter zurück, um seinen Thron wieder einzufordern. Und dank der cleveren, neuen Technik, die Gearbox jüngster Titel mit sich bringt, scheint es das befriedigendste und süchtig-machenste Spiel überhaupt zu werden.

Tom Regan
Having written for everyone from Trusted Reviews to The Guardian, Tom is a London based writer who can't stop talking about games.